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Sichtbar sein, ohne sich zu verbiegen – queere Authentizität im Berufsleben

  • Autorenbild: Markus Aspetzberger
    Markus Aspetzberger
  • 28. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit
Gruppe von Menschen im Geschäftsfumfeld, im Zentrum eine blonde Frau mit Regenbogengürtel

Sichtbar sein. Klingt einfach. Oder?

 

Für viele queere Menschen ist diese Frage jedoch alles andere als simpel. Sichtbarkeit bedeutet für Menschen aus der LGBTIQ*-Community etwas von sich preiszugeben – in einer Arbeitswelt, die oft noch auf Anpassung und Konformität setzt. Sie bedeutet daher nicht nur, als Mensch wahrgenommen zu werden, sondern auch Haltung zu zeigen (zu müssen).

 

Viele von uns haben früh gelernt, wie man „richtig funktioniert“: Erwartungen erfüllen, anecken vermeiden, heikle Themen umschiffen. Das schützt – aber es kostet Energie. Irgendwann taucht deshalb die Frage auf: Wie viel von mir selbst darf eigentlich mit an den Arbeitsplatz? Und vielleicht auch: Warum muss ich mich überhaupt entscheiden – im Jahr 2025?

 

Minderheitenstress – was Sichtbarkeit so anstrengend macht

 

Dieses Phänomen hat einen Namen: Minderheitenstress (der im Übrigen viele Menschen der sogenannten „Minderheiten“ trifft). Auf Englisch spricht man von Queer (Battle) Fatigue. Es beschreibt die dauerhafte Wachsamkeit und den inneren Kampf, den viele queere Menschen führen, um ihre Identität zu schützen und sich in einer oft gleichgültigen oder feindlichen Umgebung zurechtzufinden.

 

Die Folgen sind gut erforscht und reichen von chronischem Stress bis zu Burnout und Depressionen.

 

Studien zeigen:

  • Erhöhtes Stressniveau durch ständige Selbstkontrolle und Angst vor Diskriminierung

  • Emotionale Erschöpfung und Burnout

  • Angstzustände, depressive Symptome

  • Verminderte Lebensqualität und geringere Arbeitszufriedenheit 

 

Sichtbarkeit als zweischneidiges Schwert

 

Für viele queere Menschen bedeutet Sichtbarkeit also sowohl Anerkennung des eigenen Ich als auch Risiko. Laut einer Studie des Williams Institute (UCLA) haben 47 % der LGBTQ+-Beschäftigten in den USA Diskriminierung oder Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. 39 % geben an, ihre Identität am Arbeitsplatz zu verbergen – aus Sorge vor Ablehnung oder Nachteilen.

 

Auch in Europa sieht es ähnlich aus:

Laut der European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) verstecken 45 % der Befragten ihre Queerness am Arbeitsplatz aus Angst vor Diskriminierung.

Besorgniserregend dabei: Die Studie zeigt eine Zunahme der Intoleranz um fast 20 % innerhalb von vier Jahren.

 

Also: Sichtbar sein und sich angreifbar machen? Oder anpassen und sich selbst entfremden? Wie kommen wir zu mehr Authentizität queerer Menschen am Arbeitsplatz?

 

Coaching als Resonanzraum für Authentizität

 

Hier setzt queer-sensibles Coaching an. Im systemischen Coaching geht es nicht um richtig oder falsch, sondern um stimmig oder nicht stimmig. Es gibt nicht den einen Weg zu Authentizität – sondern den individuellen, der sich für jede*n anders anfühlt. Menschen sollen nach dem Coaching immer mehr Optionen für sich sehen als davor.

 

Im Coaching für Menschen der LGBTIQ*-Community, die sich diesen Fragen rund um Sichtbarkeit stellen, geht es deshalb darum, eben dem „gefühlten Richtig“ auf die Spur zu kommen.

 

Typische Themen dabei sind:

  • Sichtbarkeit klären: Wie offen möchte ich mit meiner Identität umgehen, und wo liegen meine Grenzen?

  • Rollen finden: Wie kann ich authentisch bleiben und zugleich professionell agieren?

  • Sprache & Kommunikation: Will ich Diskriminierung ansprechen, ohne mich rechtfertigen zu müssen – und wenn ja, wie?

  • Verbündete nutzen: Wo finde ich Verbündete oder Ally-Strukturen?

  • Karriere gestalten: Wie kann ich meine queere Identität als Stärke für Positionierung und Entwicklung nutzen?

  • Resilienz stärken: Wie gehe ich mit Mikroaggressionen und Belastungen um?

  • Führung & Vorbildrolle: Wie kann ich Sichtbarkeit als Chance für Veränderung begreifen – und will ich das?

  • Balance halten: Zwischen Mut und Schutz, zwischen Engagement und Erholung.

 

Coaching soll hier zum Resonanzraum für Reflexion, Wachstum und Selbstfürsorge werden – ein Ort, an dem laut gedacht, ausprobiert, getrauert und gefeiert werden darf.

 

Drei kleine Schritte zu mehr Sichtbarkeit

 

Wer möchte, kann Sichtbarkeit im Kleinen üben. Zum Beispiel:

  • Ein ehrliches Wort im Team, wenn ein Witz auf Kosten Einzelner oder bestimmter Gruppen geht.

  • Ein Nebensatz im Bewerbungsgespräch, der zeigt: Ich stehe zu mir.

  • Ein Regenbogen-Accessoire tragen – nicht im Juni, sondern im September oder Oktober. (An dieser Stelle großes Dankeschön für den leuchtenden Regenbogen-Gürtel auf der IAA an die wunderbare Ally Iris Hegemann.)


Diese Sichtbarkeit ist Basis der so oft beschworenen Authentizität. Manche sagen zwar, Authentizität sei keine Strategie, sondern eine Haltung. Sie entsteht, wenn wir im Einklang mit unseren Werten leben und handeln. Gerade dafür ist aber manchmal eine Strategie durchaus hilfreich. Denn Sichtbarkeit findet ihren Höhepunkt auf der Bühne – aber sie beginnt im Alltag.


(Hinweis: Das Titelbild wurde mit KI erstellt.)

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